South-South Solidarity and the National Liberation Movements from Portuguese Colonies, 1963–1975

Süd-Süd-Solidarität. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und die nationalen Befreiungsbewegungen in den portugiesischen Kolonien, 1963–1975

(übersetzter Projekttitel)

Unter den europäischen Kolonialmächten bildete Portugal das Schluss­licht bei der Dekolonisation Afrikas. Noch in den 1960er Jahren, als ein Großteil der Kolonien auf dem Kontinent bereits unabhängig geworden war, hielt das autoritäre Regime unter Diktator António Salazar eisern an den Überseegebieten fest; Autonomie­bestrebungen wurden unter Einsatz des Militärs bekämpft. Erst im Zuge der Nelkenrevolution 1974 kam das Ende der portugiesischen Kolonial­herrschaft in Afrika: Im Jahr darauf erlangten Guinea-Bissau, Mosambik, Kap Verde und Angola ihre Unabhängigkeit. Dieser Schritt war neben den horrenden Ausgaben für die Kolonialkriege auch aufgrund des internationalen Drucks unausweichlich geworden. Zu den bisher kaum untersuchten Faktoren, die zur Unab­hängig­keit der portugiesischen Kolonien beigetragen haben, gehören die Erscheinungs­formen inter-afrikanischer Solidarität. Dabei existierte mit der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) seit 1963 ein internationaler Zusammenschluss der neu entstandenen afrikanischen Staatenwelt, zu dessen Gründungszielen die Beseitigung sämtlicher Formen von Kolonialismus auf dem Kontinent zählte. Zu diesem Zweck errichtete die OAU, die Vorläufer­organisation der Afrikanischen Union, noch im selben Jahr ein Befreiungs­komitee mit Sitz in Tansania, das über ein eigenes Budget zur Unterstützung der antikolonialen Widerstands­bewegungen verfügte und diese koordinieren sollte.

Amílcar Cabral (vierter v.l) und andere Führer der kapverdischen und guineischen Unabhängigkeitsbewegung PAIGC beim Empfang der Delegation der OAU in Conakry, circa 1972

Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an europäischen, afrikanischen und brasilianischen Universitäten hat sich zum Ziel gesetzt, diese Forschungs­lücke zu schließen und ein genaues Bild von der Rolle der OAU im Befreiungs­kampf der portugiesischen Kolonien zu zeichnen. Im Rahmen des auf zwei Jahre angelegten Vorhabens geht die Gruppe unter der Leitung der Historikerin Dr. Aurora Almada e Santos der Frage nach, wie die verschiedenen Organisations­ebenen die einzelnen Befreiungs­bewegungen unterstützten. Ein erster Analyse­schwerpunkt gilt den zwischen­staatlichen Interaktionen in den zentralen Gremien der OAU: Inwieweit bot sie einzelnen Mitgliedstaaten eine Plattform, um ihre eigenen Agenden antikolonialer Politik voranzutreiben? Die hier ausgetragenen Kontroversen und die unkooperative Haltung einzelner Staaten hatten Auswirkung auf die Arbeit der untergeordneten Organisations­einheiten – dem zweiten Untersuchungs­gegenstand. Über das Befreiungs­komitee in Dar es Salaam und dessen Zweigstelle in Sambia erfolgte die Kommunikation mit den Widerstands­gruppen und die Verteilung der Ressourcen. In einem dritten Schritt rücken die nationalen Befreiungs­bewegungen selbst in den Fokus. Wie blickten die Protagonisten in den portugiesischen Kolonien auf die von der OAU geleistete Solidarität? Und wie nutzten sie ihre Kontakte zur OAU in der Auseinander­setzung mit rivalisierenden antikolonialen Gruppierungen?

Olu Adesola, Sekretär des OAU-Befreiungskomitees während einer Sitzung des UN-Spezialausschusses zur Dekolonisation am 20. April 1972 in Lusaka, Sambia

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, führen die Forschenden Archivstudien in sieben afrikanischen Ländern sowie in Portugal durch. Ergänzend sollen Methoden der Oral History zur Anwendung kommen. Geplant sind Zeitzeugen­interviews mit ehemaligen Beschäftigten der OAU sowie mit Vertretern der Widerstands­bewegungen. Auf diese Weise werden nicht nur die Wissens­bestände dieser frühen Phase der nachkolonialen Außenpolitik in Afrika erweitert, sondern auch Quellen für zukünftige Forscher­generationen erschlossen. Die Forschungs­ergebnisse werden auf internationalen Konferenzen vorgestellt und in einer Serie von Fachartikeln publiziert.

Projektleitung

Dr. Aurora Almada e Santos

Institution

NOVA Universität Lissabon

Förderung

Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt das Vorhaben durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums sowie die Übernahme von Sach- und Reisekosten.

 

Das Projekt wurde im Frühjahr 2024 dokumentiert.